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Tatort: Volkslied

In einer Folge der Schwarzwald-Ausgabe des ARD Tatorts überraschte mich das Zitat eines Volkslieds. Die Süddeutsche schrieb dazu: "Nazilieder bei der Pflaumenernte"

Sie alle singen dabei Sonnhilds Lieblingslied, wie Volkmar Böttger Berg erklärt, und wirken dabei ein bisschen wie Fernsehwerbung für naturtrüben Apfelsaft oder Bio-Babybrei. Beängstigend wirkt die Szene erst im Nachhinein, als Kommissar Berg das Lied recherchiert und entdeckt, dass es aus den Dreißigerjahren stammt und von einem Nazi komponiert wurde.

Das fragliche Lied war mir gut vertraut, allerdings wäre ich im Leben nicht darauf gekommen, dass es historisch belastet ist. Hans Baumann (1914-1989) schrieb das Lied “Und die Morgenfrühe das ist unsere Zeit” im Jahre 1948 und es erfreut sich besonders in völkischen und bündischen Kreisen scheinbar großer Beliebtheit. Mir war es tatsächlich bekannt über die vielen Offenen Singen, die ich entweder auf dem Finkenhof in der Eifel oder in Altenberg teilgenommen habe. Bei der Recherche fiel mir ein weiteres von mir sehr geliebtes Lied auf, dass ebenfalls von Baumann und aus der Zeit des Nationalsozialismus stammt: "Es geht eine helle Flöte".

Diese Lieder sind für mich mit der Person von Bernhard Michalski eng verbunden, der frei von jedem Verdacht der Nähe zu nationalsozialistischen Gedankengut ist. Seine Wurzeln sind aber sicher in der katholischen Jugend zu finden und da scheint es diese Überschneidung zu geben. Mir ist dieser Zusammenhang aber nach meinem Erleben dieser Gemeinschaft um Bernhard Michalski trotzdem unheimlich und rätselhaft. Vielleicht habe ich aber auch lediglich den Konservatismus des Nachkriegsdeutschlands, seine Wurzeln in der Jugendbewegung und seine ideologischen Verästelungen nie richtig verstanden. In jedem Fall scheint die Person Hans Baumann und sein Schaffenswerk ein Beispiel gründlich misslungener Aufarbeitung deutscher Geschichte zu sein. Sogar die Liedhefte des WDR für seine Offenen Singen in den 1970'ern und 80'ern führen einige Werke von Baumann.

Ich würde ja gerne glauben wollen, dass die Nachkriegsgesellschaft sich nur das Volksliedgut, dass die Nazis vereinnahmt hatten, wieder zurück holen wollten. Aber das wäre falsch. Baumann hat speziell die genannten Lieder (und andere) ausdrücklich für die Hitlerjugend und andere nazionalsozialistische Zwecke geschrieben. Da wurde nichts „vereinnahmt“. Die Lieder werde ich nicht wieder unvoreingenommen hören können und trauere dem ein wenig nach.

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